Soziale Marktwirtschaft
Lieferkettengesetz

Mehr Bürokratie, weniger Menschenrechte

Das geplante Lieferkettengesetz schießt am Ziel vorbei. Es mag gut gemeint sein, denn alle wollen faire Bedingungen in der Produktion bezüglich Menschenrechte und Umweltschutz. Doch: Das Gesetz stellt alle Unternehmen unter Generalverdacht und setzt sie unkalkulierbaren Risiken aus. Im Ergebnis könnte das Gegenteil des gewünschten Ziels eintreten, nämlich weniger Menschenrechte vor Ort und der Verlust von Arbeitsplätzen.

7. Juni 2021

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Diese Anzeige zahlreicher Verbände und Organisationen erschien am 8. Juni 2021 in den überregionalen Zeitungen FAZ, Welt und Handelsblatt.

Worum geht es?

Die Bundesregierung plant ein sogenanntes Lieferkettengesetz – offizieller Name: Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (Drucksache 19/28649). Mit dem Gesetz will die Große Koalition deutsche Unternehmen verpflichten, ihrer globalen Verantwortung für die Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards besser nachzukommen. Hierfür soll sich die Verantwortung der Unternehmen künftig auf die gesamte Lieferkette erstrecken, abgestuft nach den Einflussmöglichkeiten. Die Regierungskoalition hatte lange um einen Kompromiss gerungen. Eine Einigung erreichte sie Ende Mai 2021.

Was ist das Problem?

Gut gemeint, schlecht gemacht. So könnte die Kritik der deutschen Wirtschaft grob zusammengefasst werden. Zu befürchten ist, dass das Ziel, nämlich die Verbesserung der Menschenrechtslage vor Ort, nicht nur nicht erreicht wird, sondern sogar das Gegenteil eintritt. Der befürchtete Grund: Firmen aus anderen Ländern mit möglicherweise deutlich geringeren Standards füllen die auftretenden Lücken im Auslandsgeschäft.

Die wichtigsten Kritikpunkte

Das Gesetz erzeugt eine große Rechtsunsicherheit: Zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe machen das Risiko für Unternehmen durch das Lieferkettengesetz unkalkulierbar. Damit müssen Gerichte entscheiden, wie das Gesetz gemeint ist. Dabei sind Klagen vor deutschen Gerichten durch Betroffene schon heute möglich, aber wenn das Lieferkettengesetz wie geplant umgesetzt würde, dürfte das Risiko steigen. Weiterhin kritisch wird gesehen, dass die zivilrechtliche Haftung nicht gänzlich ausgeschlossen ist.

Den Unternehmen droht also eine Klagewelle auf der einen Seite und überbordende Bürokratie auf der anderen Seite. Es wären umfassende Dokumentations- und Sorgfaltspflichten nötig, die viele Aktenordner füllen würden. Die vermeintliche Begrenzung der Sorgfaltspflichten für deutsche Unternehmen auf ihre direkten Zulieferer ist eine Mogelpackung, denn das vorgesehene umfassende Risikomanagement sowie die Berichts- und Dokumentationspflichten werden voraussichtlich eins zu eins an alle Lieferanten weitergegeben. Folge: Viele Firmen müssten ihr Auslandsgeschäft aufgeben, weil das Risiko von Klagen und Bußgeldern zu groß würde.

Das Gesetz stellt die Firmen zudem unter Generalverdacht. Dabei gelten für deutsche Firmen bereits hohe Standards. Hierzulande – in unserem Wirtschaftsmodell der Sozialen Marktwirtschaft – gilt es als selbstverständlich, dass wirtschaftliche Freiheit und soziale Verantwortung Hand in Hand gehen. Das geplante Gesetz legt den Handel an die Kette, begrenzt unternehmerische Freiheit und führt nicht zu besseren Arbeits- und Lebensbedingungen vor Ort.

An dieser Stelle kann sich die Politik nicht aus ihrer Verantwortung stehlen, denn es ist in erster Linie Aufgabe der jeweiligen Regierung und der Politik, für gute Arbeits- und Lebensbedingungen zu sorgen. Durch den Rückzug von Unternehmen würden Arbeitsplätze ersatzlos wegfallen oder von Anbietern mit niedrigeren Standards ersetzt werden.

Deshalb: Wir brauchen unbedingt eine Lösung auf EU-Ebene, die alle Instrumente einheitlich für die Mitgliedstaaten regelt.

Mit dem geplanten Lieferkettengesetz will die Bundesregierung die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland umsetzen, greift aber einem angekündigten Gesetzgebungsprozess der Europäischen Kommission vor.

Problematisch daran ist, dass es zuerst eine deutsche Lösung geben soll, obwohl eine europäische ebenfalls vorbereitet wird. Somit drohen ein Flickenteppich und noch mehr Bürokratie, weil Regelungen dann noch einmal geändert und angepasst werden müssen, mitunter die Regelungen in Deutschland strenger wären als in der EU. Die Bundesregierung sollte sich hier konstruktiv für eine europäische Lösung einsetzen und nicht nationale Alleingänge durchpeitschen.

Das halten Experten vom geplanten Lieferkettengesetz

Verfolgen Sie hier die Bewertung des geplanten Lieferkettengesetzes durch Prof. Dr. Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW).

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Ab wann soll das Gesetz gelten?

Das Gesetz soll noch im Juni 2021 im Bundestag verabschiedet werden. Ab Anfang 2023 soll es zunächst für Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten gelten. Ein Jahr später sinkt die Schwelle dann auf 1000 Beschäftigte. Mit dem Gesetz drohen den Unternehmen potenziell Millionenstrafen.

 

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